Historische Fahrzeuge Junge Leute mit der richtigen Einstellung gesucht
Die Schaffung eines Berufsbilds für auf Oldtimer spezialisierte Mechatroniker scheiterte vor rund einem Jahrzehnt, die avisierte Fortbildung zum Restaurator des Handwerks wird „Häuptlinge“ statt benötigter „Indianer“ erzeugen. Eine Initiative von zwei Enthusiasten sorgt nun für Hoffnung in den Werkstätten.

Weitergabe von Fachwissen von Alt an Jung – mit diesen Worten lässt sich die Initiative von Tom Fischer und Franz Cremer zusammenfassen. Fachwissen soll nicht verloren gehen, sondern vermittelt und gemanagt werden. Dass beide ursprünglich nicht aus dem Kfz-Handwerk stammen, ist hier womöglich von Vorteil. Der Wirtschaftsingenieur und heutige Pensionär Franz Cremer verbrachte drei Jahrzehnte bei der BMW Group, unter anderem als Leiter des Versuchsfahrzeugbaus. Tom Fischer, gelernter Kommunikationselektroniker und Fahrzeuglackierer, ist Inhaber der gleichnamigen Oldtimerwerkstatt im südlich von Rosenheim gelegenen Brannenburg. Sein Hauptaugenmerk liegt auf Ferrari, doch auch an Oldtimern anderer Marken wird gearbeitet.
Beide kamen auf typische Art zusammen: Franz Cremer fand als Kunde zu Tom Fischer. Der Kontakt wurde mit den Jahren enger, und irgendwann klagte der eine dem anderen sein Leid: kein Nachwuchs in der Werkstatt. Zunächst folgten lange Gespräche, später Meetings mit wachsender Teilnehmerzahl. Mitte Januar dieses Jahres fand an der TH Rosenheim bereits das dritte Meeting statt. Deren regelmäßige Teilnehmer sind unter anderem die Werkstattbetreiber Thomas Feierabend, Peter Praller, Robert Schramm und Michael Strohhammer, Harald Keil (Werkstattleiter BMW Group Classic), sein Kollege Klaus Kutscher, Ralf Speth (bis 2020 CEO von Jaguar Land Rover) sowie Joachim Syha und Matthias Kemmer vom Branchenverband ZDK. Prof. Dr. Mario Theissen, Senior Vice President des Oldtimer-Weltverbands FIVA, begleitet das Vorhaben von Beginn an aktiv.
Darum geht es konkret: In Werkstätten, die auf historische Fahrzeuge spezialisiert sind, fehlt es massiv an Personal. Tom Fischer, der deshalb bereits Seiteneinsteiger einstellte, damit jedoch keinen Erfolg erzielte, sagt: „Man muss junge Leute nehmen, die Leidenschaft mitbringen. Das Können bringen wir ihnen bei, die Leidenschaft muss vorhanden sein. Mit Werkstattprofis, die schon länger im Geschäft sind, funktioniert das nicht. Denn sobald die Leute von modernen Fahrzeugen geprägt sind, wird es schwer, sie umzupolen – und teuer obendrein.“
Zunächst soll das Vorhaben, junge Leute anzusprechen, auf den Kfz-Mechatroniker-Beruf beschränkt bleiben. „Beim Karosseriebauer und beim Lackierer klafft die Schere zwischen heutiger Ausbildung und Oldtimerrealität deutlich weniger weit auseinander“, begründet Tom Fischer die Einschränkung.
Historisch korrekte Arbeitsweisen erhalten, Möglichkeiten der Digitalisierung nutzen
Wie das Ansprechen funktionieren soll, erklärt der Werkstattbetreiber so: „Wir müssen auf die digitalisierte Generation zugehen und ihnen verdeutlichen, dass wir einerseits die historisch korrekten Arbeitsweisen erhalten, andererseits hierzu die Möglichkeiten der Digitalisierung nutzen wollen: Datenbanken, Videos, Podcasts, Augmented Reality etc.“ Franz Cremer ergänzt: „Wenn wir bundesweit und jährlich rund 22.000 Kfz-Mechatroniker-Lehrlinge haben, dann muss es doch möglich sein, ausreichend Lehrlinge umzulenken, die wir bei den Oldtimerspezialisten brauchen.“
Damit das Vorhaben gelingt, sind auch in den spezialisierten Werkstätten einige Veränderungen nötig, beispielsweise die Kontaktaufnahme zu potenziellen Lehrlingen. Mit Blick auf Tom Fischer beschreibt Franz Cremer das Problem so: „Die Leute, die den Concours d’Élégance im kalifornischen Pebble Beach besuchen, kennen Dich, nicht aber die Leute in und um Brannenburg.“ Soll heißen: regional statt überregional nach Lehrlingen suchen. Mit entsprechender Werbung im regionalen Anzeigenblatt hatte Tom Fischer bereits Erfolg.
Zudem ist es wichtig, die Eltern davon zu überzeugen, dass ihre Kinder mit dem Start in einer Werkstatt für klassische Fahrzeuge eine gute Wahl treffen. „Das Berufsbild des auf Oldtimer spezialisierten Mechatronikers ist nicht geschärft, weshalb oft dessen Zukunftschancen bezweifelt werden“, erklärt Tom Fischer. Franz Cremer beschreibt das Problem so: „Die Werkstätten sind allesamt für Kunden attraktive Unternehmer, jedoch keine attraktiven Arbeitgeber für neue Mitarbeiter. Das muss sich ändern.“
Problem: Mangelnde Kooperation im Kfz-Handwerk
Als problematisch erweist sich auch die mangelnde Zusammenarbeit der Betriebe. „Selbst in der Automobilindustrie gibt es mehr Austausch als in den Werkstätten für historische Fahrzeuge. Es existieren mehr Aufträge, als abgearbeitet werden können, doch zu sagen, ich habe ein Problem und brauche Hilfe, das passiert nicht“, weiß Franz Cremer, der die Branche mit einer Gruppe von Einzelkämpfern vergleicht. An einen Restauratorenverband, wie er in Großbritannien und in der Schweiz bereits existiert und dort mit einer Stimme spricht, denken die Initiatoren noch nicht, wohl aber an einen regelmäßigen Erfahrungsaustausch der Szene im Winterhalbjahr. „Den begonnenen Erfahrungsaustausch wollen wir weiterführen und ausbauen. Die Branche muss sich einig sein, sonst gehen alle unter“, ist sich Tom Fischer sicher.
Zusammenfassend lässt sich formulieren: Gesucht werden einerseits interessierte Lehrlinge, andererseits aber auch spezialisierte Betriebe, die ausbilden wollen, Berufsschulen, Kompetenzträger aus allen Gewerken und monetäre Förderer, die sich in die Initiative einbringen wollen. Kontaktaufnahme per Mail: info@classicmeetsfuture.de.
„Was uns noch fehlt, ist ein vorzeigbarer Abschluss, der das erlangte Know-how belegt und auch die Eltern überzeugt“, gibt Franz Cremer zu. „Die Lösung dafür haben wir noch nicht.“
Insgesamt zeigt die Initiative von Tom Fischer und Franz Cremer die Notwendigkeit auf, das Berufsbild des auf historische Fahrzeuge spezialisierten Mechatronikers zu schärfen und attraktiver zu gestalten sowie die Zusammenarbeit zwischen den Betrieben zu stärken. Durch die Weitergabe von Fachwissen von Alt an Jung und die Nutzung digitaler Möglichkeiten soll eine Basis für die Zukunft dieser Teilbranche geschaffen werden, von der alle Seiten profitieren können: Lehrlinge, Unternehmen und Kunden.
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