Prototyp Unterwegs im autonomen Freightliner Cascadia

Quelle: sp-x |

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Daimler Truck schickt seinen Laster „Freightliner Cascadia“ 420 Meilen weit in die freie Wildbahn – und das ohne Fahrer, sondern mit einem „Virtual Driver“ am Steuer.

Daimler Truck testet in den USA das autonome Fahren nach Level 4.
Daimler Truck testet in den USA das autonome Fahren nach Level 4.
(Bild: Daimler Trucks)

Das hätte sich Paul nie träumen lassen, als er vor vielen Jahrzehnten zum ersten Mal in einen Truck gestiegen ist. Nachdem er viele Millionen Meilen kreuz und quer durch die USA gefahren ist, sitzt er jetzt am Steuer eines Freightliner Cascadia und legt einfach die Hände in dem Schoß.

Schließlich ist sein Dienstwagen nicht irgendein Truck, von denen täglich Hunderttausende über die Highways rollen. Paul thront in einer Art Robo-Truck – einem der ersten Prototypen, mit denen Daimler und die neue Unternehmenstochter Torc das autonome Fahren nach Level 4 in Serie bringen und dafür Truck-Fahrer wie Paul aus dem Führerhaus verbannen wollen.

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„Virtual Driver“ am Steuer

Als wären die mit allerlei Kameras, Radaren und sonstigen Sensoren gespickte Zugmaschine und das komplett digitale Cockpit mit einer Handvoll Zusatzbildschirme nicht schon futuristisch genug, fährt Pauls Truck auf ausgewählten Strecken auch noch von selbst.

„Virtual Driver“ nennt Daimler das System, das die Umgebung besser sieht als jeder Fahrer und mit einem Kühlschrank hohen Turm von Computern zweifelsfrei den richtigen Weg zum Ziel ermittelt. Dabei hält das System sicher die Spur und schwimmt ganz lässig im fließenden Verkehr mit. „Und zwar besser, als ich das je könnte“, muss Paul einräumen.

Denn der Virtual Driver wird weder müde, noch reagiert er ungeduldig oder unüberlegt. Vor allem lässt er sich nicht von anderen Autofahrern provozieren, selbst wenn die wie hier am Torc-Stammsitz in Albuquerque erklärtermaßen die schlechtesten im ganzen Land sind.

Noch unterwegs mit Drei-Mann-Besatzung

Während die Elektronik den Kurs hält, den 26-Meter-Zug mit leichten Lenkkorrekturen stabilisiert, sauber um jede Kurve zieht und selbstständig die Spuren wechselt, schaltet die Beleuchtung in der riesigen Kabine zum Zeichen des autonomen Betriebs von Weiß auf Blau und für Paul beginnt der Kampf gegen die Langeweile.

Weil sein Laster noch ein Prototyp ist, muss er zwar noch eingreifen können. Und weil sie die Tests auf öffentlichen Straßen machen, sitzt daneben ein zweiter Aufpasser und hinten auf dem Schwiegermutter-Sessel sogar noch ein Ingenieur. Doch auf den 420 Meilen bis rauf nach Amarillo in Texas, die Torc fürs Erste als Versuchsstrecke ausgewählt hat, haben die drei nur wenig zu tun.

Wenn es nicht gerade schneit, schüttet, neblig und dunkel oder im schlimmsten Falle alles zusammen ist, macht der Virtual Driver seine Sache schon so gut, dass man kaum mehr am Serienstart zu Beginn der zweiten Hälfte dieses Jahrzehnts zweifeln mag. Und das ist nur der Anfang. Denn der Virtual Driver zielt auf das sogenannte Level 4 des autonomen Fahrens und geht damit weiter als alles, was bislang im Pkw zugelassen oder auf dem Weg zur Serienreife ist.

„Für die erste und die letzte Meile übernimmt dann wieder der Mensch“

Während die ehemaligen Kollegen aus der Pkw-Fraktion schon stolz wie Bolle sind, dass der Fahrer in der S-Klasse und dem EQS unter bestimmten Voraussetzungen die Hände in den Schoß legen darf, wollen die Ingenieure bei Daimler-Truck den Fahrer ganz aus dem Führerhaus verbannen und den Cascadia völlig unbemannt losschicken – so wie es Mercedes mit der S-Klasse jetzt zumindest beim Roboparken in der Tiefgarage machen darf.

Auch diese Vision nimmt allerdings ein paar Einschränkungen in Kauf. Denn statt kreuz und quer durchs Land zu fahren, bis in die Städte oder zumindest in die Industriegebiete vorzudringen, skizziert Torc-Chef Peter Schmidt einen einfacheren, dafür aber halbwegs überschaubaren und deshalb realistischeren Ansatz.

„Wir planen mit sogenannten Hubs ganz nahe an den Fernstraßen und wollen die Level-4-Laster von dort aus über die Interstates schicken. Für die erste und die letzte Meile übernimmt dann wieder der Mensch. Auch wenn diese Strecke in den USA gerne mal etwas länger sein darf“, erläutert er den Plan Torcs.

Und selbst dafür muss Torc noch eine Menge Streckenkunde sammeln. Denn mit den 420 Meilen zwischen Albuquerque und Amarillo haben sie gerade mal ein Prozent des Interstate-Netzwerkes abgedeckt und nach Los Angeles oder New York ist es noch ein weiter Weg.

Systeme wie Bremsen und Lenkung sind redundant im Cascadia

Trotzdem ist Schmidt sicher, dass er schon in zwei, drei Jahren die ersten Pilotkunden mit solchen Cascadias beliefern und rund um die I-40 als wichtigsten Transportkorridor im Südwesten der USA eine Handvoll Hubs installieren kann. Und wenn alles nach Plan läuft, könnten zum Ende der Dekade bereits zehntausende Robo-Trucks auf einem wachsenden Anteil der Interstates unterwegs sein.

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Mit dem Autopiloten alleine ist es für den Truck der Zukunft allerdings nicht getan. Weil in der Daimler-Vision des automatisierten Hub-to-Hub-Verkehrs gar kein Fahrer mehr an Bord ist, der etwa bei einer Panne eingreifen kann, legt Mercedes Systeme wie die Lenkung oder die Bremsen wie beim Flugzeug redundant aus und spickt den Truck zudem mit Sensoren, die Reifenpannen oder Motorschäden möglichst frühzeitig erkennen können.

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