Digitalisierung im Oldtimerbetrieb Digitales Fotoarchiv und Kommunikationskanal in einer App
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Am Telefon, vor Ort oder per E-Mail: Ständig fragten Oldtimerbesitzer nach dem Stand der Restaurierung ihres Lieblings. Diese zeitraubende Kontaktpflege war Vincent Krampol irgendwann leid. Dank seiner neuen App können sich seine Kunden nun jederzeit selbst informieren.

„Wie weit ist er denn?“, „Wann ist er denn fertig?“: Die zwei dürften zu den am häufigsten gestellten Sätzen in Kfz-Betrieben gehören. Schon im Fall „normaler“ Pkw fordert die Beantwortung eben jener Fragen die Servicemitarbeiter Tag für Tag heraus. Bei Mitarbeitern von Oldtimerbetrieben haben sie das Potenzial, diese in den Wahnsinn zu treiben. Verständlich, weilen die Fahrzeuge hier doch oftmals nicht nur Tage, sondern Wochen, Monate, und manchmal sogar Jahre in der Werkstatt. Und natürlich interessiert es gerade Besitzer eines klassischen Automobils, was ihr Fahrzeug macht, wie es ihrem Liebling geht, wenn er weg von zu Hause ist.
„Der eigene Oldie ist nicht irgendein Auto. Zu ihm hat man ein besonderes Verhältnis. Doch kostet uns der klassische Informationsaustausch, d. h. das Restaurierungs-Update per Telefon, per E-Mail oder auch live vor Ort, jede Menge Zeit und damit Geld.“ So schildert Vincent Krampol, Inhaber eines Oldtimerbetriebs in Eppertshausen bei Darmstadt, die Situation, die jeder aus der Branche kennt und die wohl jeden belastet. Ergo suchte der 26-Jährige nach einer Lösung. Und diese lautet – wie in vielen anderen Fällen auch – Digitalisierung.
Ewig gesucht und doch nichts passendes gefunden
Wie viele junge Menschen steht Krampol dem Thema offen gegenüber. „Nahezu jeder besitzt heutzutage ein Smartphone. Deshalb lag es nahe, eine App zu nutzen, um mit unseren Kunden unabhängig von Zeit und Ort und vor allem automatisiert kommunizieren können.“ Klingt einfach, war es jedoch nicht. Schnell durfte der Oldtimerspezialist feststellen, dass es das, was er sich vorstellte, schlicht und ergreifend nicht gab – trotz elend langer Suche. Und es bestätigte sich, dass die Kfz-Branche in Sachen Digitalisierung vielfach noch Entwicklungsland ist.
Also machte Krampol das, wozu er auch bei seinen Kundenfahrzeugen oftmals gezwungen ist: Er ließ Benötigtes individuell anfertigen. Ein Softwareanbieter aus der Schweiz hat dem jungen Unternehmen eine entsprechende App „zusammengeschraubt“. Unter dem Namen „Online-Service“ vermarktet der Oldtimerbetrieb sein neues Kommunikationsangebot für Kunden. Und das kommt sehr gut an. 24/7 kann sich der Auftraggeber wortwörtlich ein Bild vom Fortgang der Arbeiten an seinem Schätzchen machen. Quasi nur noch in Ausnahmefällen müssen Chef bzw. Servicekraft zu klassischen Methoden des Informationsaustausches greifen.
Bis zu 3.000 Bilder pro Fahrzeug
Die Servicekraft ist in gewisser Weise auch Administrator der ganzen Sache. Sie kontrolliert, womit die Werkstattmitarbeiter die App füttern, sprich in erster Linie das Bild- und Videomaterial. Bei einem Zwei-Tage-Auftrag schießt die Werkstatt 30 bis 200 Aufnahmen. Bei großen Projekten kommen schon mal ein- bis dreitausend Bilder zusammen. Früher hat der Firmeninhaber noch immer persönlich Infos zu einzelnen Fotodokumenten geschrieben. „Jetzt beschränke ich mich meist auf einen kurzen Einleitungstext“, erklärt Vincent Krampol. Das spart ihm Zeit, und die allermeisten Kunden sind dennoch im wahrsten Sinne des Wortes im Bilde. „Viele wissen, was auf dem Bild zu sehen ist, kennen ihr Fahrzeug und einzelne Komponenten. Und das Foto des defekten Gewindes einer Schraube oder das eines Rostlochs kann auch ein technischer Laie lesen“, argumentiert der Kfz- Mechatroniker, der zugleich staatlich geprüfte Fachkraft für die Restaurierung historischer Fahrzeugkarosserien ist.
Um ein solches bzw. ein Video überhaupt erstellen zu können, hat er alle seine Jungs und Mädels mit einem I-Phone ausgestattet. Einige kamen mit dem zusätzlichen Arbeitsauftrag „Bilder bzw. Videos erstellen“ von Anfang an klar. Andere haderten. Doch mittlerweile haben sich auch Letztere daran gewöhnt, bietet der neue Zusatzjob doch unbestreitbare Vorteile. So kann man auch mal für ein paar Minuten den Schraubenschlüssel beiseite legen und entsprechende Aufnahmen erstellen. Das bietet dem Betrieb wiederum die Chance, dass möglicherweise weiterer Reparaturbedarf aufploppt, der erst durch das Zerlegen von Komponenten sichtbar wird.
Eigene App ist mehr als nur ein digitales Kommunikationsmittel
Auch wenn ein Teil bereits kaputt oder schlecht repariert war, dokumentiert das der Monteur kurzerhand per Handy und schiebt so bekannten Aussagen wie „Das war vorher aber nicht gewesen!“ unkompliziert einen Riegel vor. Auch die Frage „Ja, warum hat das so lange gedauert?“ können Mitarbeiter/-innen quasi wortlos beantworten, wenn sie beispielsweise vergammelte Komponenten „gerichtsverwertbar“ dokumentieren. Ein weiterer positiver Nebeneffekt seiner App, erklärt Krampol im Gespräch mit »kfz-betrieb«: „99 Prozent aller Kunden bezahlen ihre Rechnung innerhalb von zwei Tagen. Schließlich wissen sie quasi aus eigener Anschauung, was alles an ihrem Wagen gemacht wurde, und weshalb die eine oder andere Arbeit eben länger dauerte.“ Motto: Nachfragen überflüssig, Reklamationen zwecklos.
Doch nicht nur bei der Beantwortung eingangs genannter Fragen unterstützt die App ihren „Erfinder“. So ist eine digitale Kommunikation mit Kunden, vor allem aber mit denen, die es noch werden sollen, ein Thema, mit dem sich heutzutage auch Handwerksbetriebe auseinandersetzen sollten. „Für mich ist die App zudem ein Werbemittel. Und das nicht nur im Hinblick auf Kunden, sondern auch auf Mitarbeiter“, ist Vincent Krampol überzeugt. Deshalb ergänzen das Team seit Kurzem zwei Teilzeitkräfte, deren Aufgabe es ist, das digitale Sprachrohr der Firma mit Inhalten und Leben zu erfüllen, Emotionen zu erzeugen und zu teilen. Denn ein gutes Gefühl zu haben, mit seinem Fahrzeug an der richtigen Adresse zu sein, dürfte wohl für keinen anderen Halter wichtiger sein als für den eines Oldtimers.
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