Kfz-Zubehör Kamei – aus und vorbei?
Der bekannte Hersteller von Autozubehör, allen voran für Modelle des VW-Konzerns, hat Insolvenz angemeldet. Dem vermutlich ältesten deutschen Hersteller von Tuning- und Anbauteilen droht nach gut 70 Jahren das Ende.

Am 16. August hat die Kamei GmbH und Co. KG beim Amtsgericht Wolfsburg Insolvenz angemeldet. Das teilt Justus von Buchwaldt von der Restrukturierungskanzlei BBL mit, den das Gericht zum vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt hat. „Der Geschäftsbetrieb geht auch im vorläufigen Insolvenzverfahren vollumfänglich weiter“, erklärt von Buchwaldt. „Alle Aufträge werden wie gewohnt weiterbearbeitet, es wird weiter gefertigt und ausgeliefert.“
Von Buchwaldt und sein Kollege Nikolas Otto haben am 15. August auf einer Mitarbeiterversammlung die Beschäftigten informiert, die Löhne und Gehälter seien über das Insolvenzgeld für die nächsten drei Monate gesichert. Die beiden Verwalter wollen zunächst den Geschäftsbetrieb stabilisieren und in den nächsten Wochen eine tiefer gehende Analyse erstellen und genaue Sanierungsmöglichkeiten erarbeiten. Denkbar seien der Einstieg eines Investors oder ein sogenannter „Insolvenzplan“, also eine Art Vergleich mit den Gläubigern.
Als Gründe für die aktuelle Schieflage werden die Materialkosten genannt, die durch die Folgen des Kriegs in der Ukraine deutlich gestiegen sind. Diese konnten zunächst nicht entsprechend an die Kunden weitergegeben werden. Zudem verzögerte sich die Einführung eines neuen Produkts und auch die Preisverhandlungen mit den Automobilherstellern liefen schleppend, heißt es seitens Kamei. Zuletzt verschärfte sich die Situation erheblich durch eine schwache Auftragslage: Die üblicherweise sehr hohe Nachfrage in der Sommersaison blieb bisher aus. Viele Endverbraucher haben die Anschaffung einer Qualitätsdachbox infolge von Inflation und allgemeiner Kaufzurückhaltung bisher hinausgeschoben, so die Erklärung der Firmenleitung.
Kamei: Eine Ikone tritt ab?
Für Käfer-Fahrer ging und geht der Name einher mit Größen wie Oettinger, Sauer & Sohn und vielen anderen. An Kamei kam fast kein VW-Besitzer vorbei, der sein Auto innen besser und praktischer bzw. außen schneller machen wollte – oder zumindest wollte, dass es so wirkt. Kein Wunder, schließlich war Karl Meier, der aus den Anfangsbuchstaben seines Namens den Firmennamen kreierte, fest mit dem Hause Volkswagen verbunden. Bereits 1939 stieg er in das Wolfsburger Unternehmen als Konstrukteur ein, fing aber parallel bereits an, an Verbesserungen für den Käfer zu arbeiten. Für eine geplante Coupé-Variante des bekannten Krabblers entwarf er 1947 sogenannte „Körperform-Sitze“, die Vorläufer der später berühmten Schalensitze.
Jahre später, mittlerweile von Volkswagen weg und selbstständig, präsentierte Karl Meier vor dem Automobilsalon Genf 1953 – für einen Auftritt auf der Messe reichte das Geld nicht – sein „Tiefensteuer“, den ersten an einem Serienfahrzeug montierten Spoiler der Welt. 1955 brachte der Firmengründer die erste „flatterfreie Schutzhülle mit Gepäckträger“ auf den Markt und schuf so den Vorgänger der heutigen Dachbox.
Das praktische Zubehör für den Innenraum des Käfers reichte in den Fünfziger- bis Achtzigerjahren von der „Schlummerrolle“ für die Rücksitzbank über einen Gaspedalaufsitz für die serienmäßige „Gasrolle“, eine Kupplungsfußstütze, Handschuhfacheinsätze und diverse Ablagen und sogar Sportsitze bis hin zu Dekorsets und Spoilern – jetzt aus Kunststoff. Rasch folgte ab den Siebzigerjahren auch entsprechendes Zubehör für die neuen wassergekühlten Modelle von VW, allen voran den Golf und Scirocco. Ab 1982 sorgten „Ganzkörperkondome“ aus Kunststoff namens „X1“ für Entzückung bei Tuningfans. Mittlerweile bot Kamei keineswegs nur Zubehör für Volkswagen an. Auch Besitzer eines BMW, Opel und Ford wurden bei Kamei in Sachen Individualisierung fündig. Ab Ende der Achtzigerjahre ergänzten Dachboxen das Angebot. Sie bilden heute das Kernangebot des nach wie vor in Wolfsburg ansässigen Unternehmens, das sich seit Langem mit einem veränderten Tuning-/Zubehörbedarf bzw. -verhalten seitens Autobesitzer konfrontiert sieht, das nun offenbar seinen Tribut fordert.
Zuletzt erzielte Kamei mit 42 Mitarbeitern rund sechs Millionen Euro Umsatz, der größte Kunde ist der Volkswagen-Konzern. Derzeit wird die vierte Generation in den Familienbetrieb eingearbeitet.
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