Urteil „Handy-Verbot“ auch für Touchscreens

Von Thomas Günnel

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Ein Gericht hat ein Bußgeld und Fahrverbot verordnet, weil der Fahrer den Touchscreen bedient und einen Unfall verursacht hatte. Für die Automobilbranche kann die Entscheidung durchaus Folgen haben.

„Nur eine kurze Blickzuwendung“ muss genügen, um Einstellungen während der Fahrt per Touchscreen zu tätigen.
„Nur eine kurze Blickzuwendung“ muss genügen, um Einstellungen während der Fahrt per Touchscreen zu tätigen.
(Bild: Audi)

„Lassen Sie sich nicht vom Verkehrsgeschehen ablenken“: So oder ähnlich weisen die Navigations- und Infotainmentsysteme in Autos den Fahrer beim Einschalten darauf hin, sich auf den Straßenverkehr zu konzentrieren. Der Paragraf 23 der Straßenverkehrsordnung fasst es konkreter zusammen, demnach ist lediglich „eine nur kurze, den Straßen-, Verkehrs-, Sicht- und Wetterverhältnissen angepasste Blickzuwendung zum Gerät bei gleichzeitig entsprechender Blickabwendung vom Verkehrsgeschehen“ zulässig. Für das OLG Karlsruhe reichte das aus, um einen Tesla-Fahrer mit Bußgeld und Fahrverbot zu belegen; er hatte beim Bedienen des fest eingebauten Touchscreens die Kontrolle über sein Fahrzeug verloren.

Betrifft die umgangssprachlich „Handy-Verbot“ genannte Regelung also nicht mehr nur Smartphones sondern auch fest installierte Touchscreens? „Die rechtlichen Feststellungen des Oberlandesgerichts Karlsruhe (Beschluss vom 27.03.2020, 1 Rb 36 Ss 832/19) lassen sich durchaus diskutieren, allerdings sprechen aus meiner Sicht einige der aufgeführten Argumente dafür, dass sich diese Ansicht halten wird“, erklärt Daniel Wuhrmann von der Kanzlei Reuschlaw.

„Dies vorausgesetzt, kann die Entscheidung durchaus Folgen auf eine mögliche Haftung der Hersteller von Fahrzeugen und Touchscreens haben.“ Hintergrund sei, dass Hersteller von Fahrzeugen und Fahrzeugteilen rechtlich verpflichtet sind, ihre Produkte so zu konstruieren, dass diese grundsätzlich für den Einsatz auf der Straße geeignet sind und keine unerwartbaren beziehungsweise überhöhten Gefahren von diesen ausgehen.

„Verstößt aber die Verwendung einer für den sicheren Betrieb eines Fahrzeugs notwendigen Funktion gegen eine Bestimmung der StVO, besteht zumindest die Möglichkeit, dass der Einsatz eines solchen Fahrzeugs eine überhöhte Gefahr darstellt.“ Und somit eigne es sich laut Wuhrmann aufgrund des Verstoßes gegen geltende Verkehrsregeln nicht für den Einsatz auf der Straße. Geschädigte könnten hierauf Ersatzansprüche begründen.

Systemrelevantes unmittelbar zugänglich machen

Das OLG stellt letztlich laut Wuhrmann in seinem Beschluss aber auch klar, „dass die Verwendung von Geräten, zum Beispiel Touchscreens, nicht per se verboten, sondern bei einer ‚kurzen Blickzuwendung‘ zum Gerät bei gleichzeitiger Blickabwendung vom Verkehrsgeschehen durchaus zulässig ist. Daher wäre ein erster Schritt für Hersteller von Fahrzeugen beziehungsweise der Touchscreens, künftig systemrelevante Einstellungen unmittelbar zugänglich und ohne Menünavigation im System darzustellen.“

Ein Warnhinweis reicht aus Sicht von Daniel Wuhrmann nicht aus, wenn die Verwendung einer systemrelevanten Funktion dennoch eine Navigation in teils komplexen Untermenüs erfordert.

Smartphone-Hersteller in der Haftung?

In diesem Zusammenhang ist haftungsrechtlich auch ein anderes, artverwandtes Thema interessant: der Einsatz von „Fremdprodukten“ wie Smartphones als baulich vorhergesehenes Equipment eines Fahrzeugs. „In der Regel werden solche ‚Fremdprodukte‘ nicht nach Automotive-Standards entwickelt, designt und hergestellt, dann aber Belastungen ausgesetzt, die diesen Standards zu Grunde liegen und womöglich weit höher sind als die bei der Entwicklung herangezogenen“, beschreibt Wuhrmann.

Die Folge könnte sein, „dass produktsicherheits- sowie produkthaftungsrechtliche Ansätze stets eine erwartbare Sicherheit nach dem Stand von Wissenschaft und Technik mit Blick auf die bestimmungsgemäße Verwendung voraussetzen – und die entsprechenden Produkte potenzielle Haftungsträger sein können.“ Anders ausgedrückt: Die Hersteller von Smartphones könnten in der Pflicht sein, wenn es zu Unfällen infolge der Ablenkung durch deren Geräte kommt.

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